Ri Jong Hi, Torfrau

 

»Bevor So Jin geboren wurde hat sie ein Shirt mit der Nr. 1 geschenkt bekommen. Vielleicht wächst sie da hinein und wird eine Torfrau ...«

 

 

Rückennummer: 1
* 20.8.1975
Größe: 1,73 m
Wettkampfgewicht: 72 kg
Position: Torfrau
Club: Pyongyang City
Weltmeisterschaft 1999: Teilgenommen, nicht gespielt.
Asienmeisterschaft 2001: Ja
Asienmeisterschaft 2003: Spielt fast alle Spiele; erhält folgende Tore: in den Gruppenspielen keine gegen Hongkong, Singapur, Thailand, zwei gegen S-Korea; im Semifinale: keines gegen Japan; im Finale: eines gegen China.
Weltmeisterschaft 2003: Captain; spielt alle drei Spiele; erhält folgende Tore: keines gegen Nigeria, eines gegen Schweden, drei gegen USA.
Olympia-Qualifikation 2004: Captain; spielt fast alle Spiele; erhält folgende Tore: keines in den Gruppenspielen gegen Taiwan, Hongkong, Singapur; im Semifinale: drei gegen Japan; im Spiel um den 3. Platz eines gegen S-Korea
Titel: Asienmeisterin 2001 und 2003,
Goldmedaille Asiade 2002


Ri Jong Hi beendet ihre aktive Karriere nach der verpassten Olympia-Qualifikation 2004. Sportstudium an der Koreanischen Sportuniversität, Ausbildung zur Torfrauentrainerin.

 

Teamcaptain und Torfrau Jong Hi ist schwer zu beschreiben, denn das, was ihre Faszination ausmacht, muss man sehen. Es sind die ausdefinierten Muskeln, aber nicht nur. Es ist die Schönheit von gekonnt ausgeführter Arbeit, aber nicht nur. Es ist die Klarheit eines mit Effizienz eingesetzten Körpers, aber nicht nur. Es ist die Summe all dessen und mehr, was sich zum Eindruck einer entspannten Selbstverständlichkeit summiert, den diese Frau ausstrahlt, wenn sie ein Fußballfeld betritt.

Sie fällt, wieder und wieder: TAC … tactac … TAC … tactac … einmal auf die rechte Seite, einmal links. Rollt sich ab und ein, umschließt den Ball dabei. Mit der Genauigkeit eines Metronoms. TAC … rollt den Ball zurück … TAC … auf  die andere Seite. Geht der Ball weit, macht sie sich lang, TAC … landet rechtzeitig wieder eingerollt auf dem Gras. Umarmt den Feind … TAC (ist der Ball ein Feind für die Torfrau?) … rollt ihn zurück … (… du kannst mir nicht! …) tactac …

Die erste Begegnung mit ihr war eigentlich völlig unspektakulär; und es war keine Begegnung: das Team kam aus den Garderoben des Rajamangala-Stadions in Bangkok, um sich warm zu machen für eines der Gruppenspiele im Turnier um den Titel das Asiatischen Meisters, während wir, die kleine österreichische Filmcrew, aus der Presse-Zone dem gerade noch laufenden Match zusahen. Wahrscheinlich hat sie ein wenig mit dem Trainer gescherzt, ihre Torfrauenhandschuhe in der Hand, in dem dunkelblauen langärmeligen Shirt mit der Nummer eins und dem RI J. H.-Schriftzug. Dann hat sie sich wohl einen Platz gesucht um ein paar Dehnungsübungen zu machen, oder ist ein wenig hinter dem Tor auf- und abgelaufen. Und doch wusste ich sofort: das Nordkorea dieses Menschen möchte ich kennenlernen.

Jong Hi ist die jüngste von Dreien und ihre beiden Brüder spielen nicht Fußball. Als wir bei ihr zu Hause in Pjöngjang drehen, ist sie gerade aus dem Nationalteam ausgeschieden. Gemeinsam erinnern wir uns an eine erfolgreiche Karriere: an die ernsthafte junge Frau, die sie war, als sie der Vorgängerin die Tricks abgeschaut hat. An die Zeit, als sie dann die Verantwortung für das nordkoreanische Tor übernommen hat, an das Turnier, das sie erstmals zur Asienmeisterin machte. Wo sie nur ein Tor von Sun Wen hineingelassen hat, der legendären Chinesin, der Welt-Fußballerin des Jahres, die in der amerikanischen Liga gespielt hat. Sun Wen aus der coolen Nike-Werbung, die Jong Hi nicht kennt, weil sie überhaupt keine Werbung kennt. Sie erzählt von ihrer ersten WM, ihrer ersten Reise in die USA: »Wir waren klein und mager gegen die Amerikanerinnen«, sagt die Spielerin aus dem Land, das damals grade eine Hungerepidemie überwunden hatte, »aber wir wollten der Welt beweisen: Korea ist nicht tot, sondern lebt«. Gleich nach dem Karriere-Aus hat sie geheiratet, gleich ist sie schwanger geworden: ihre Eltern, mit denen die junge Familie im gemeinsamen Haushalt lebt, helfen ihr mit der kleinen So Jin, denn sie – Anfang 30 – holt ihren Uni-Abschluss nach. Wenn alles gut geht, meint sie – und diese Vorstellung gefällt ihr sichtlich – kann sie die zweite weibliche Torfrauentrainerin des Landes werden ...