Ra Mi Ae, Verteidigerin

 

»Obwohl Maradona so klein ist, wurde er weltberühmt.
Er ist kaum größer als ich, und wird weltberühmt?
Okay, das kann ich auch!«


 

Rückennummer: 6
* 8.12.1975
Größe: 1,60 m
Wettkampfgewicht: 53 kg
Position: Verteidigerin
Club: Pyongyang City
Weltmeisterschaft 1999: Nein
Asienmeisterschaft 2001:
Assist zum 1:0 im Semifinale gegen China
Asienmeisterschaft 2003: Stv. Captain
Weltmeisterschaft 2003:
Spielt alle drei Spiele; gegen Schweden bis zur 62 Min.
Olympia-Qualifikation 2004: Ja
Titel: Asienmeisterin 2001 und 2003,
Goldmedaille Asiade 2002

 

Ra Mi Ae beendet ihre aktive Karriere nach der verpassten Olympia-Qualifikation 2004. Sie kehrt dem Fußball komplett den Rücken und beginnt einen Bürojob in der Außenhandelsabteilung der Korea Natursteinverarbeitungsgesellschaft.

 

»Ich bin zu früh geboren. Damals musste ich noch kämpfen für meine Leidenschaft, bin aus dem Fenster geklettert und heimlich zum Fußballplatz geschlichen«, meint die toughe Nummer 6 mit der rauen Stimme, als wir uns über Bend it like Beckham unterhalten, der gerade beim Pjöngjang-Filmfestival läuft: »... ja genau, so war das bei mir auch.«, sagt sie. Dass sie – wie Jess – den Trainer heiraten wird, halte ich allerdings schon damals für unwahrscheinlich »Me single – slow, slow …«, vertraut sie uns einmal ihre Zukunftspläne an, was für eine 30-jährige ungewöhnlich ist. In Nordkorea ist Heiraten und Kinderkriegen bis Mitte/Ende zwanzig eigentlich die geforderte Standard-Lebensform, und die Fußballerinnen sind offenbar nur wegen ihrer beruflichen Situation vorübergehend davon ausgenommen.

Stattdessen selbst Trainerin zu werden, schiene mir eher ein Happy End a la Mi Ae: auf den ersten Blick wirkt die Kleinste unter den Spielerinnen, die sich grade darum einst Maradona zum Vorbild gewählt hatte, eher abweisend, verschlossen, skeptisch und schroff. Aber sie macht sich viele Gedanken um das Team und das Ganze; ermutigt die Jungen, gratuliert den Kolleginnen und hadert mit sich nach einem verlorenen Spiel, statt anderen Vorwürfe zu machen. Wenn sie einen Ball nicht verloren gibt, bis sie in die Bande kracht, höher springt als die größte Amerikanerin und sich in selbst auferlegtes Extratraining verbeißt, weil sie meint, versagt zu haben, so scheint das weit weniger ihrem Ehrgeizig zu entspringen, als ungeheurem Verantwortungsbewusstsein für den eigenen Anteil am Erfolg oder Scheitern aller.

Doch nach dem unfreiwilligen Aus, dem »schmachvollen Abtritt« kehrt sie, die es nicht geschafft hat, durch ihr Fußballspiel weltberühmt zu werden, dem Sport gänzlich den Rücken. Tapfer kämpft sie um einen neuen Platz im gesellschaftlichen Leben, und versucht sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie das Rennen auf dem weiten Feld vermisst, die Kameradinnenschaft mit den anderen Frauen, mit denen gemeinsam sie so vieles erlebt, vieles erreicht hat. Dass alle Freundinnen mittlerweile verheiratet sind, die meisten Kinder haben, lässt sie an ihrem eigenen Status nicht zweifeln: sollte die Zeit kommen, sollte sich ein Mann finden, der sie ehrlich liebt, dann wird man sehen ... . Inzwischen schließt sie neue Freundschaften mit Frauen aus dem neuen beruflichen Umfeld, holt ihre Mutter, ihre Schwester und deren kleinen Sohn aus der Provinz zu sich nach Pjöngjang, in die Wohnung, die sie vom Staat als Belohnung für ihre sportlichen Leistungen erhalten hat. Sie lässt sich nicht unterkriegen, die kleine Verteidigerin mit dem großen Herz.